JOHANN SEBASTIAN BACH

CHORALVORSPIELE
für Viola und Klavier

CHORAL PRELUDES
for Viola and Piano

PRÉLUDES DE CHORAL
pour Alto et Piano

PRELUDI AI CHORALI
per Viola e Pianoforte

Johann Sebastian Bach
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Das Alte Jahr Vergangen Ist
Wachet Auf Ruft Uns Die Stimme
 
O Mensch Bewein' Dein Suende Gross
O Gott, du frommer Gott
Wachet Auf Ruft Uns Die Stimme
Nun Komm Der Heiden Heiland
 

Johann Sebastian Bach hat uns annähernd zweihundert Choralvorspiele bzw. Choralbearbeitungen für Orgel hinterlassen, von denen hier einige in der Übertragung für Viola und Klavier erscheinen sollen. Größe und Bedeutung dieser Werke legen dies nahe, zumal der Umgang mit dieser wahrhaft vergeistigten Musik im allgemeinen den Organisten vorbehalten bleibt. Langjährige Beschäftigung mit der ganz eigenen Welt dieser Choralvorspiele und wohl auch das freundliche Bild des Bratsche spielenden Bach, das durch die Biographie Forkels auf uns gekommen ist, haben zu dieser Ausgabe ermuntert: „In musikalischen Gesellschaften, in welchen Quartette oder vollstimmige Instrumentalstücke aufgeführt werden, und er sonst nicht dabei beschäftigt war, machte es ihm Vergnügen, die Bratsche zu spielen. Er befand sich auch mit diesem Instrument gleichsam in der Mitte der Harmonie, aus welcher er sie von beiden Seiten am besten hören und genießen konnte.“ Die folgenden Betrachtungen zu den einzelnen Choralvorspielen schrieb Hermann Keller in: „ Die Orgelwerke Bachs" (Edition C.F. Peters). Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ. Die Mittelstimme fleht demütig, sinnbildlich beschützt von den (autographen) legato - Bögen, während die Achtel des Basses dazu das unruhige Pochen des Herzens dazu malen. O Mensch, bewein dein Sünde groß. „Eine tiefinnerliche Meditation über das Lied. Gedanken treten an Stelle der Bilder. Der Spieler muß das Stück wie ein Gedicht sprechen, jede Note ist hier beseelt“. (Adagio und Adagissimo stehen so im Autograph! Max Reger hat diesen Satz für Streichorchester instrumentiert.) Das alte Jahr vergangen ist. „In diesem unerhörten Stück drückt die Musik ein Maß von Schmerz und Melancholie aus, das weder durch den Text noch durch die Melodie gerechtfertigt erscheint, eine Klage über die Vergänglichkeit des Irdischen, die der kolorierte cantus firmus in tief schmerzlicher Weise ausspinnt, verstärkt durch die Chromatik der Begleitstimmen. O Gott, du frommer Gott. Diese Choralkantate schrieb Bach als fünfzehnjähriger. Die daraus gewählte siebte Variation auf den Text: Laß mich an meinem End auf Christi Tod abscheiden gehört mit ihrer sehnsuchtsvollen Chromatik zu den ausdruckvollsten in den Jugendwerken Bachs. Wachet auf, ruft uns die Stimme. Geigen und Bratschen spielen in der gleichnamigen Kantate die figurenreiche Oberstimme, in der sich auch einige dynamische Zeichen finden, im Einklang. Bach schreibt in diesem berühmten Stück eine mystische Hochzeitsmusik von einer wahrhaft bräutlichen Innigkeit. Zion, im Choral symbolisiert, hört die Wächter singen, deren Liebesmelodie, bald näher bald ferner (Echo) herüberklingt... (Übrigens hat Bach in seiner späteren Orgeltranskription diese Stimme im Altschlüssel notiert!) Nun kommt der Heiden Heiland entstand in Bachs Todesjahr. Hier wird der cantus firmus koloriert und verhüllt die alte Adventsmelodie in einem Rankenwerk, das sich weit über die Grenzen der Melodie hinausspinnt. Dazu treten immer neue Imitationen der Begleitstimmen, die in geheimnisvoller Weise die Anfangsnoten des cantus firmus verflechten. Das alles ist von einer phantastischen Schönheit, der man nie ganz auf den Grund sieht. Die feierliche Verhüllung der Melodie ist hier Ausdruck der undurchdringlichen Geheimnisses der Menschwerdung des Gottessohns. Nach dem Tode Bachs hatte es fast den Anschein, als geriete sein Werk in Vergessenheit. Jedoch ziemlich genau hundert Jahre nach ihrer Entstehung (1829) markiert die Wiederaufführung der Matthäus - Passion durch den zwanzigjährigen Mendelssohn die Wende und es beginnt eine Renaissance ohnegleichen. Johann Sebastian Bach wurde und wird immer aufs Neue entdeckt und verstanden: die Strahlkraft seiner Musik ist bis heute ungebrochen. Goethe hat es wohl als erster unübertroffen formuliert. In Bad Berka, einer kleinen Stadt in der Nähe Weimars, machte er die Bekanntschaft des dortigen Organisten Johann Heinrich Friedrich Schütz, der noch bei Johann Christian Kittel, dem letzen Schüler Bachs, studiert hatte. Durch ihn lernte Goethe Bach’se Klavier- u. Orgelwerke kennen. In seinen „hohen Jahren“ schreibt er in einem Brief an Carl Friedrich Zelter: „Wohl erinnere ich mich bei dieser Gelegenheit an den guten Organisten von Berka; denn dort war mir zuerst, bei vollkommener Gemütsruhe und ohne äußere Zerstreuung, ein Begriff von Eurem Großmeister geworden. Ich sprach mir’s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie es sich in Gottes Busen kurz vor der Weltschöpfung möchte zugetragen haben. So bewegte sich’s auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen, und weiter keine übrigen Sinne besäße und brauchte.“


Johann Sebastian Bach left us close to 200 chorale preludes and/or chorale arrangements for organ. Of these, some have now been transcribed for viola and piano for this edition. Given the greatness and immense importance of these works it was a natural thing to do, especially as usually only organists can enjoy playing this truly spiritual music. Long years of study of this particular musical area - which indeed is a world of its own - and probably also the pleasant picture of Bach playing the viola that has come down to our times by way of Forkel’s biography, have eventually initiated the present edition. „ In music societies, where quartets and also orchestral works were being performed and where he was not occupied otherwise, he found pleasure in playing the viola. When playing it, he found himself to be in the centre of harmony from where he could best listen to it and enjoy it from all sides. „ The following reflections to each of the choral preludes were written by Hermann Keller in „Die Orgelwerke Bach’s“ (C.F. Peters Edition). Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ: „The middle part is a devote plea, supported by the legato slurs (to be found in the autograph), while the quavers of the bass paint the image of the restless pounding of the heart.“ Oh Mensch, bewein Dein Sünde groß: „A meditation about the chorale, deeply felt in the innermost part of the self. Contemplation takes the place of images. The player has to recite the piece - like a poem, every single note emerges from the soul.“ (As a matter of fact, both the Adagio and the Adagissimo are noted in the autograph. Max Reger instrumented this chorale for string orchestra.) Das alte Jahr vergangen ist: „ In this incredible piece of music Bach expresses an amount of sorrow and melancholy that seems justified neither by the text nor the melody. It is a lament on the transience of all earthly existence, woven into a colourful, yet sorrowful cantus firmus that becomes even more expressive by the supporting parts’ chromatics.“ Oh Gott, du frommer Gott: „Bach wrote this chorale cantata as a fifteen-year-old. The seventh variation chosen from this work on the text ‘Lass mich an meinem End auf Christi Tod abscheiden’ with its craving chromatics is one of the most expressive of Bach’s early works.“ Wachet auf, ruft uns die Stimme: „In this cantata violins and violas unisono have the richly figurated main part that also shows some dynamics. For this famous cantata Bach wrote a mystical wedding music of truly bridal tenderness. Zion, symbolised in the chorale, hears the guards singing whose love song reverberates across the fields, sometimes closer, sometimes farther away like an echo.....“(Bach, by the way, in his later organ transcription noted this part in the alto clef!) Nun komm der Heiden Heiland: „This chorale Bach wrote in the year of his death. Here, the colourful cantus firmus veils the old advent melody in an intriguing complex of figurations that reach far beyond the actual melody. This is even more enriched by ever new imitations of the supporting parts that intertwine the first notes of the cantus firmus in an enigmatic way. All this is of a fantastic beauty that never reveals its secrets to the bottom. The solemn way of concealing the melody expresses the impenetrable secret of the Son of Man’s incarnation.“ After Bach’s death it almost seemed as if his oevre would be forgotten. However, in 1829, 100 years after this creation, the re-performance of Bach’s St. Matthew’s Passion by twenty-year-old Felix Mendelssohn marked a turning point and triggered a Bach renaissance unheard of. Johann Sebastian Bach was and still is being re-discovered and perceived anew: the radiant power of his music remains unbroken up to this very day. Goethe was the first to put this phenomenon in perfect words: In Bad Berka, a small town near Weimar he met the organist Johann Heinrich Friedrich Schütz who had studied with Johann Christian Kittel who had been Bach’s last pupil. It was through him that Goethe got to know Bach’s works for piano and organ. In his „high years“, in a letter to Carl Friedrich Zelter, he writes: „Very well I recall on this occasion the good organist of Berka, for it was there, with my soul completely at rest and without distraction from the outside, that I first formed knowledge about your great master. I said to myself: as if eternal harmony was talking to itself, like it may have dwelt in God’s own bosom before creation. In this way my heart was moved and I felt as if I possessed neither ears nor, even less, eyes nor any other senses nor needed them.“

 

EDITIO ALTO MUSIKVERLAG - MUSIC PUBLISHING EDITIO ALTO


Fenster schließen - Close Window - Fermer la fenêtre - Chiudi la finestra